Mein Blick verschwimmt während sich eine Träne bereits einen Weg meine Wange hinab bahnt. Ich weine. Schon wieder. Ich glaube, das ist bereits das 3. Mal in diesem Urlaub, der erst vor 2 Tagen begonnen hat. Ein Teil von mir findet, ich sollte mich mal zusammen reißen. Ein anderer reicht mir liebevoll die Hand und blickt mich mitfühlend an: „Lass es raus“. Und das tue ich…
Ich bin gestern schon mit Kopfschmerzen eingeschlafen und heute früh damit aufgewacht. Dazu hat sich Übelkeit gesellt und während Markus den Morgen am Buffet genießt, kann ich nicht einmal über Frühstück nachdenken. Ich bin so unglaublich frustriert! Herrgott, der letzte Rest Halsschmerz, den ich seit ca. 5 Wochen mal mehr mal weniger mit mir herum schleppte, ist erst Sonntag vollständig verschwunden. Erleichtert darüber, mich endlich mal wieder sportlich betätigen zu können, waren wir gestern mit dem Fahrrad unterwegs und hatten die Gegend erkundet: das direkt am Hotel befindliche Naturschutzgebiet mit so vielen Vögeln, einer Sumpflandschaft und Schilf soweit das Auge reicht. Ich war so beschwingt, gleichzeitig bremste ich mich selbst aus Sicherheitsgründen aus: Nicht übermütig werden, sonst hast du morgen einen Sonnenstich oder so was. Nun…man kann eben nicht auf alles vorbereitet sein und so bin ich heute einfach nur noch angepisst. Ich habe zwar keinen Sonnenstich aber es geht mir erneut schlecht. Ich würde mich gern einfach mal wieder uneingeschränkt leicht fühlen, gerne ein paar Tage am Stück! Da aber mein Körper vom vielen Ausruhen der letzten Wochen recht steif ist, wären Bewegung und vor allem auch Sport hierfür sicherlich mehr als erforderlich. Doch kaum habe ich etwas Derartiges initiiert, folgt die nächste Enttäuschung. Ja klingt dramatisch und ja, vielleicht etwas übertrieben. Fühlt sich allerdings auch so an.
Nach dem Aufwachen heute morgen blieb ich also einfach liegen, schaute zu meiner Linken aus den Fenstern über den Balkon hinweg auf die Berge, Hotels, Palmen und das Meer Mallorcas. Ich fühlte mich zunächst einfach nur leer und versuchte dann, meinen Frust nicht an mich ran zu lassen. Der Gedanke jedoch, dass eine Woche Urlaub aber eben auch wenig ist und ich natürlich keinen Tag „verschwenden“ möchte, indem ich krank im Bett liegen muss, zerrte heftig an meiner Laune.
Als wir damals auf unserer Open-End-Reise durch Asien reisten, war das überhaupt kein Problem, denn wir hatten diesen beschissenen und einengenden Zeitdruck einfach nicht. Ohne den war es viel leichter anzunehmen, dass man auch mal krank war. Sogar als ich tatsächlich von so einem Mückenfieber heimgesucht wurde, konnte ich – neben panischer Angst natürlich – besser akzeptieren, dass es jetzt eben so war. Okay, es dauerte dann deutlich länger als erwartet, bis die daraus resultierenden Gelenkschmerzen wieder weg gingen und das war mit der Zeit unweigerlich ebenfalls sehr anstrengend. Schließlich fühlte ich mich wie eine 90-Jährige, die nie in ihrem Leben Sport oder Yoga gemacht hatte. Ich konnte nicht mal vom Boden aufstehen ohne Markus Hilfe! Trotzdem war es leichter anzunehmen, ohne diesen Druck. Den man sich ja gewissermaßen auch selbst macht, weil natürlich diese eine Woche Urlaub nun perfekt und mit schönsten Erinnerungen gefüllt werden möchte.
Und so überschwemmten mich nach der anfänglichen Taubheit an diesem Morgen dann aber doch heftige Gefühle: Verzweiflung, Wut, Traurigkeit und allem voran: Frustration. Ich war so sauer auf meinen Körper, sauer auf mich selbst, auf den Zeitpunkt, den Urlaub, das Universum. Ich ließ es zu: Alle Empfindungen schwemmten nur aus mir heraus – mit Unterstützung von emotional aufgeladenen Worten, denen Markus echt tapfer und unglaublich mitfühlend zuhörte. Ich ließ alles raus, alles durfte fließen, alles ließ ich da sein. Und was soll ich sagen? Danach fühlte es sich gar nicht mehr so schlimm an.
Verlängerst du auch manchmal deine Misere künstlich, indem du dir nicht erlaubst zu fühlen was da ist? Ich zum Beispiel weiss, dass es schlauer wäre, locker zu lassen und es anzunehmen. Dieses Wissen frustriert mich manchmal allerdings sogar noch mehr, denn trotz dessen schaffe ich es manchmal nicht. Die Gefühle wollen verkörpert werden, so einfach ist das – zumindest in der Theorie. Nur bin ich es oft so gewohnt, mich dagegen zu wehren, dass ich krampfhaft alles unterdrücke, was damit zusammen hängt.. Ich rede mir gut zu, gleichzeitig rede ich mir aber irgendwie auch etwas ein: „Beruhige dich, so schlimm ist es doch gar nicht. Reiß dich mal zusammen, sei nicht so dramatisch.“
Und so erlaubst du dir einfach nicht, wirklich und wahrhaftig zu fühlen. Grade als Frau bist du angehalten, doch bitte nicht zu übertreiben oder gar hysterisch zu werden. Kann ja niemand brauchen, ist auch unprofessionell und insbesondere auf offener Straße möge frau sich bitte zusammen nehmen.
Und so tust du genau das, auch wenn du alleine in einem Hotelzimmer hockst, in einer Umgebung wo dich niemand kennt, unter Menschen bei denen es dir egal sein könnte weil du sie vermutlich nie wieder sehen.
Ich kann nur eins sagen: Loslassen ist ein Prozess. Und dazu gehört zuerst einmal alles zuzulassen, was eben da ist. Sich den Empfindungen zuzuwenden, sie da sein zu lassen. Sie durch den Körper fließen zu lassen und dann – wenn alles seine Daseinsberechtigung hatte – dann kann ich loslassen. Auch ältere Emotionen, die sich fest gesetzt haben, können noch zu- und dann losgelassen werden. Das geht zum Beispiel in der Yogapraxis!
Ich war von ein paar Wochen Schülerin in einer so wunderschönen Klasse dazu und wollte eigentlich eine bestimmte – aber völlig andere Erfahrung gehen lassen. Am Ende merkte ich aber, dass mein Körper es von ganz allein besser wusste und konnte richtig spüren, wie er die Erfahrung von meinem Rollerunfall auf Bali letzten November losließ und die dadurch gehaltene Spannung wegfloss. Das war irgendwie verrückt, aber so eindeutig und auch sehr magisch. Allem voran war es allerdings eines: Erleichternd! Unser Körper hat eine eigene Intelligenz, ein Gedächtnis, wo er das Erlebte abspeichert. Und manchmal brauchen wir gar nicht unseren Verstand, sondern ein körperliches Einlassen auf etwas, was unser Körper verarbeiten möchte. Er weiß schon, was er tut.
Also nächstes Mal, wenn du merkst, dass du etwas unterdrückst. Wenn du so gerne loslassen willst, du aber festhältst und dich anspannst: Schau mal, ob du einen Schritt zurücktreten und dich folgendes fragen kannst:
- Was ist denn grade wirklich da?
- Was fühle ich?
- Was denke ich dazu?
- Was brauche ich?
Und wenn es für dich möglich ist, lass es zu. Weine, wüte und lass es zu einer körperlichen Erfahrung werden. Und danach kannst du loslassen. Oder zumindest schon mal etwas lockerer 🙂