Ist es nicht verrückt, dass das wohl wertvollste unserer Zeit wohl auch die Ebensolche ist, obwohl man zumindest momentan noch kein Preisschild daran hängen kann? Zeit zu haben für Dinge, die einem wichtig sind oder für sich selbst. Zeit für Urlaube und Zeit für Pflichten, für Genesung und so vieles mehr. Wie oft uns das hingegen nicht bewusst ist, wir es sogar wegschieben von uns und lieber verdrängen. Denn irgendwie haben wir keine Zeit. Zumindest oft einfach nicht genug. Damit geht der Druck einher, der allgegenwärtig ist. Der Zeitdruck, aber auch der Generelle – den man sich vielleicht auch nur selbst macht. Wir schieben auf, wollen lieber warten oder etwas in der Rente tun. Nicht genug Zeit. Vor allem doch wohl, weil wir beruflich eingespannt sind oder familiäre Verpflichtungen haben. Und diese Dinge sind wichtig, also nehmen wir uns Zeit dafür. Nicht aber dafür, den Augenblick zu genießen oder für das eigene Wohlbefinden, obwohl es so nötig wäre. Sich Zeit im Alltag nehmen, können wir das überhaupt noch? Wie geht das? Und was müssen wir dafür tun? Für was sollten wir uns auf jeden Fall mehr Zeit nehmen, für was hingegen vielleicht weniger?
Das Thema hat mich beschäftigt, als ich letzte Woche krank war. Denn ich hatte erst montags einen neuen Job angefangen und musste mich leider bereits freitags krank melden. Grippaler Infekt, den so viele haben. Mir ging es von jetzt auf gleich richtig schlecht: mit Schüttelfrost und Gliederschmerz. Muss ich hier scheinbar auch nochmal deutlich sagen, um mich zu rechtfertigen: Ja ich war richtig krank, hab mich nicht nur angestellt. Eine ständige Angst in mir: dass jemand denken könnte, ich würde mich anstellen, wäre nicht hart genug im Nehmen und wäre entsprechend also gar nicht richtig krank sondern nur leicht angeschlagen. Wo da die Grenze ist, weiß ich selbst nicht genau.
Mir also bewusst zu machen, dass ich mir Zeit nehmen muss, um zu genesen war schwierig. Ich wollte mich zunächst mit den Symptomen hin quälen, musste aber schnell einsehen, dass es sinnlos war. Dann wollte ich mich nach 3 Tagen aufraffen, obwohl ich nicht mal sicher war, heile über die Autobahn zu kommen. Ich rang mich durch und nahm mir die Zeit, die mein Körper brauchte um gesund zu werden – auch wenn es echt unangenehm war. Meine Vorgesetzten waren mir gegenüber voller Verständnis. Aber immer wieder fragte ich mich, was sie wohl wirklich denken mochten. Anstatt das zu tun, könnte ich künftig versuchen die Leute einfach mal beim Wort zu nehmen. Aber das ist ein anderes Thema.
Bei diesem Prozess fiel mir auf, wie oft wir uns doch einfach nicht genug Zeit nehmen. Denn wie viele von uns gehen krank zu Arbeit – sei es aus Pflichtgefühl oder Mitgefühl. Wie oft wir uns doch überarbeiten oder gar nicht wissen, wo uns der Kopf steht, weil wir zu viele To-Dos abarbeiten mussten. Wir kümmern uns um so vieles und haben gar nicht gelernt wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen. Und zwar bewusste Zeit – darin liegt ein Schlüssel verborgen, um aufzutanken. Denn wenn wir etwas Schönes tun, dies aber gar nicht bemerken, weil wir entweder im Kopf bereits bei der nächsten Sache sind oder aber kaum genießen können, weil es einfach nur eine weitere Aufgabe auf unserer Liste ist. Wie also schaffen wir hier Bewusstsein?
Zunächst ist es keine schlechte Idee eine Bestandsaufnahme zu machen:
Was macht mir Freude?
Welche Tätigkeiten mag ich? Wobei habe ich Spaß? Was sind meine Hobbies?
Wo und wie tanke ich auf?
Brauche ich mehr Zeit für mich alleine, in Stille? Oder tanke ich auf, wenn ich mich mit Freunden oder meiner Familie treffe? Wonach fühle ich mich besser und voller Energie?
Was möchte ich gerne mal wieder tun?
Ins Kino gehen oder zum Yoga oder tanzen vielleicht? Oder in die Sauna, zur Massage vielleicht?
Welche Mini-Pausen/Genüsse schaffen eine Mini-Auszeit?
Eine Mini-Meditation oder Atemübung kann schön sein, wer sowas mag. Aber auch ein bewusster Cappuccino/Tasse Tee oder auch nur 2 Seiten eines Buches zu lesen.
Hier können wir erst einmal ein Bewusstsein für das schaffen, was wir denn gerne tun. Und diese Dinge dann auflisten und achtsam ausführen – tun wir sie im vorbei rauschen nutzen sie uns weniger. Um sie einzuplanen ist es nicht schlecht, sie auch wirklich aufzuschreiben. Nutzen wir einen Kalender, planen wir hier bewusst unsere Termine – eben auch die, die uns Wohlbefinden versprechen. Das können ganze Abende sein, aber auch kleine Pausen der Achtsamkeit (einfach mal tief Atmen, die Augen schließen, ein Lied anhören, sich zurück lehnen). Auch die kleinen Momente können wir mit in unsere To-Do List schreiben. Wir müssen beginnen, uns die Zeit dafür zu nehmen. Damit es uns besser geht und wir auch mehr vom Alltag haben. Die Kleinigkeiten zu genießen fühlt sich nämlich an, als hätten wir mehr Zeit.
Zu Anfang brauchen wir ein wenig Zeit (welcher Wortwitz), um uns daran zu gewöhnen und hier helfen uns Erinnerungen. Das kann der Wecker im Handy sein oder auch ein Post-It am Arbeitsplatz. Und da uns Bewusstheit so hilft, ist auch ein Journal oder Tagebuch eine super Hilfe, um darüber zu sinnieren, wie gut es bisher klappt, was vielleicht nicht gut läuft an unserem Vorhaben und wo wir uns auf die Schulter klopfen dürfen.
Wo finde ich nun aber die Zeit, wenn ich keine übrig habe?
Nun, ein wenig ummodellieren können wir hier:
Grenzen setzen: mein Dauerbrenner, aber es lohnt sich. Anderen Nein zu sagen und sich die Zeit lieber für sich zu nehmen ist vollkommen in Ordnung und darf man machen. Ich glaube, das wissen die meisten von uns mittlerweile. Was uns schwer fällt: es aushalten. Möglicherweise ist es unangenehm und dieses Gefühl bleibt auch noch, nach dem „Nein“. Ich verspreche Euch: Es vergeht, wird angenehmer und sich selbst zu sagen: „Ich halte das aus“ hilft dabei.
Gesparte Zeit nutzen: das können wir alle tun! Wir nutzen diese Zeit aber oftmals, indem wir durch Instagram scrollen oder etwas in der Art. Beim nächsten Mal, wenn etwas schneller gegangen ist, als erwartet: Nutzen! Für etwas schönes wie den Cappu, die Buchseite auf der Couch, einen kleinen Spaziergang oder ein leichtes Stretching oder oder oder.
Morgenstund hat Gold im Mund: Wollte ich immer schon mal ausprobieren, denn die Zeit morgens, bevor alle wach sind ist so friedlich. Stelle ich mir herrlich vor, habe ich de facto aber noch nicht geschafft. Aber vielleicht tun sich andere weniger schwer damit als ich und finden hier ihre Zeit.
Habe ich hier keinen Erfolg kann ich aber zumindest folgendes tun:
Das Angenehme mit dem Nützlichen Verbinden. Und so tanze ich dann beim Staubsaugen vielleicht wild durch meine Wohnung mit Musik auf den Ohren oder höre den Podcast beim Abspülen. Außerdem kann ich überlegen was sich ändern muss, damit ich es genießen kann. Ich mache also aus einem To-Do ein bisschen Zeit auch für mich. Habe ich vieles zu tun, dem ich auch nicht entkommen kann, ändert diese Sichtweise vielleicht etwas daran und anstatt mit meiner Freundin zu Geburtstag shoppen zu gehen lade ich sie ins Kino ein – wo auch ich mehr Freude dran habe.
So übe ich bewusst, mir Zeit für mich zu nehmen. Und ich lerne mich dafür nicht schuldig zu fühlen. Sondern auch die Kleinigkeiten im Alltag zu genießen. Das führt langfristig auch dazu, besser zu bewerten, für was ich mir vielleicht besser Zeit nehme und das auch, wenn ich krank bin. Übung macht den Meister und ich bin sicher, wir alle profitieren auf beiden Seiten davon, wenn wir uns die Zeit nehmen die wir brauchen, denn mal ehrlich: wer sitzt schon gern neben seiner vollkommen erkälteten Kollegin im Büro?