Körperbewusstsein

Meine Hose passt mir nicht mehr, ich kriege sie nicht mehr zu. Nachdem ich im letzten Jahr durch die Yogalehrer-Ausbildung in einige ältere Hosen wieder rein passte, scheint jetzt das Gegenteil zu passieren. Ich neige dazu in stressigen Zeiten zu essen. Ich brauche dann mehr Soulfood und das ist bei mir oftmals Fastfood. „Ist nicht schlimm“, versuche ich mir selbst zu sagen. Ich habe ja auch einige Änderungen in meinem Leben vorgenommen. Es war viel los und ich habe es erst bemerkt, als es im Urlaub von mir abfiel. Wo ich dann auch gleichzeitig die Hosen-Situation bemerke. Gott Sei dank trage ich viele mit Gummizug. Trotzdem geht damit immer ein gewisses negatives Gefühl einher. Besonders, da ich gerne eng geschnittene Kleidung trage, fällt mir auf: Oh Wei, das hatte ich aber anders in Erinnerung. Und ich werte mich ab. Ich werte meinen Körper ab, bin im Geiste damit beschäftigt, dass ich so nicht aussehen mag in meiner engen Kleidung, während ein anderer Teil von mir sich selbst gut zuredet und sich versucht einzureden, dass das okay ist. Dazwischen fange ich an zu überlegen: Was kann ich tun, damit dieser Kampf beider Anteile aufhört? Wie schaffe ich es vielleicht, mich einerseits tatsächlich so zu akzeptieren und andererseits trotzdem wieder in alte Hosen zu passen, sofern ich das tatsächlich möchte?

Kommerzielles Verbesserungspotenzial

Muss ich nicht als Yoga-Lehrerin viel dünner sein? Sollte ich nicht graziler aussehen? Erwartet man das von mir? Dies sind Fragen die ich mir manchmal stelle. Ich weiß, dass ich nicht auf sie hören will und werde, weil es dabei um die Erwartungen anderer geht. Ich weiß: Ich will einfach ich sein und auch so aussehen. Es entspricht meinen Werten, offen und authentisch zu sein. Außerdem ist das völliger Mumpitz: Jeder Körper darf und kann Yoga üben. Das hat gar nichts mit den Äußerlichkeiten zu tun. Trotzdem ist es immer da: Dieses Zweifeln. Nicht nur dabei. Auch bei so vielen anderen Überlegungen: Die Haut, sie ist nicht fein und rein genug. Sie hat zu viele Pickel, zu viele Falten, zu viele Flecken. Der Bauch: Er ist nicht flach genug. Die Arme wackeln, die Orangenhaut an den Oberschenkeln. Das Gewicht: Es soll oftmals weniger sein. Und das ist weder alles, noch bin ich damit alleine. Im Gegenteil. Ich würde sogar behaupten im Vergleich noch verhältnismäßig wenig mit mir dahingehend zu kämpfen. Mag auch daran liegen, dass mein Erscheinungsbild noch ungefähr einer gesellschaftlichen Norm entspricht. Wenn man das überhaupt so nennen darf, denn wer legt das eigentlich fest? Ist das nicht alles nur eine Ausgeburt unseres kommerziellen Zeitalters? Möglichst viel Mangel aufzuzeigen, möglichst viel Verbesserungspotenzial in der Werbung? Damit auch jeder noch irgendwie das Bedürfnis hat, irgendwas müsste verschönert werden? Das sieht man ja schon an der unfassbaren Anzahl von Pflegeprodukten. So vieles davon ist für Frauen gemacht. Während es für Männer gefühlt ein Duschgel für Haut, Gesicht, Haare und Auto gibt, kauft Frau alles einzeln. Liegt es daran, dass Frauen so oft eben nach dem Außen bewertet werden? Mir kommt es vor, als wäre das immer ach so wichtig: wie eine Frau aussieht. Ob sich dahinter eine wunderschöne Seele verbirgt ist wohl Zweitrangig, was ich mir definitiv für unsere Zukunft nicht mehr wünsche.

Body-Selfcare

Leider haben wir so nun einmal unglaublich oft das Gefühl, wir reichen so wie wir aussehen nicht. Ganz zu schweigen davon, ob wir glauben in unserem Inneren zu reichen, wie wir sind. Aber unser Äußeres ist wohl etwas, was wir mit so vielen kaufbaren Dingen verbessern können. Unser Körper soll optimiert werden. Und bis es soweit ist, werten wir ihn schön weiter ab. Was unglaublich schade ist, denn was er so den ganzen Tag für uns nebenbei erledigt ist unglaublich. Er ist so ein Wunder, so ein großartiges Instrument und wir sind nicht zufrieden damit. Uns ist oft erst bewusst, was wir hatten, wenn wir krank werden. Ich erinnere mich, dass es so verdammt selbstverständlich in meinen 20ern für mich war, dass mein Körper alles mit macht. Egal wie oft ich über seine Bedürfnisse hinweg gegangen bin, er gehorchte. Tat er das mal nicht, war ich sauer auf ihn. Als ich eine Angststörung bekam, spielte er verrückt. Ich hatte keine Ahnung, was er von mir wollte. Nichts passte mehr zusammen, er war so gestresst, dass er gefühlt machte was er wollte. Ich war völlig erschöpft, konnte aber nicht schlafen. Ich bekam Blasenentzündungen und Gerstenkörner am laufenden Band. Mir tat durch die Verspannungen alles so weh, doch ich fand keine Ruhe. Ich war völlig überfordert und überfragt: Was mache ich denn jetzt? Wie komm ich dahinter, was ich brauche?

Ja, ich habe damals mit Yoga begonnen. Ich hatte gehört: Es verbindet Körper Geist und Seele. Da ich sonst nicht wusste, was ich machen soll und es mir erschien, als wäre genau da das Problem versuchte ich es. Und es hat mir geholfen. Es hat mich aber nicht endgültig daraus gebracht, dies tat erst eine Therapie. Trotzdem war es sicher nicht falsch, dort anzusetzen. Rückblickend betrachtet ist es so schade, dass erst so etwas passieren muss, um wach zu werden. Das ich meinen Körper so überfordern muss, um krank zu werden damit ich begreife. Denn heute bin ich vorsichtiger, achte auf das Gleichgewicht und darauf was mein Körper braucht. Ich bin dankbarer als jemals zuvor, denn mittlerweile funktioniert alles wieder so, wie ich es kenne. Mit wohl einem Unterschied: Ich achte darauf und sorge dafür.

Dankbarkeit und Respekt

Ich erinnere mich also zurück an die Zeit, wo so vieles kacke war, während ich vor dem Spiegel stehe und mit meinem aktuellen Gewicht und Aussehen hadere und weiß, was ich brauche: Dankbarkeit und Respekt. Ich möchte mir bewusst machen, dass mein Körper so ein toller Begleiter ist. Dass er so vieles mit macht, so vieles mit mir erlebt ohne sich zu beschweren. Dass er gesund ist. Das er fit ist. Dass er durchaus gut aussieht. Dass ich mich gut in ihm fühlen darf, dass nichts weh tut. Dass alles läuft, ohne dass ich es bemerke. Wenn ich mich daran erinnere, empfinde ich Wohlwollen mit meinem Körper. Und genau das brauche ich. Denn so kann ich liebevoll überlegen, was er braucht. Und so greife ich vielleicht auch nicht immer zu Fastfood sondern bemerke vorher, ob mir das jetzt echt gut tun würde oder eher nicht. So kann ich liebevoll damit umgehen. Von Diäten halte ich sowieso nichts, ist nicht auch bereits erwiesen, dass sie nicht langfristig helfen? Ich denke eine viel schönere Herangehensweise ist Bewusstsein für sich und eine Verbindung zu seinem Körper. Was wir trainieren müssen, um es gut deuten zu können. Besonders unsere elektronische Welt von Fernsehen, PC und Handy lenken uns so heftig ab, dass wir uns selbst oft kaum noch spüren. Auch in großen Gruppen, auf der Arbeit oder unterwegs kommen so viele Reize von außen, dass ich oft erst hinterher bemerke, über meine Grenze gegangen zu sein. Deshalb ist das neue Zauberwort: Körperbewusstsein

Wie komme ich dahin?

Klar, mit Yoga. 🙂 Denn da übe ich meinen Körper genau wahrzunehmen. Und im Alltag mit Pausen und Stopps, in denen ich mich immer wieder frage, was ich brauche. Ob Ich hungrig bin, oder vielleicht nur durstig. Ob ich aufs Klo muss. Ob ich irgendwo verspannt bin. Ob ich eine Pause brauche, ob ich mich ausruhen muss. Oder ob mir Bewegung gut tun würde. All diese Fragen stellen wir uns oft nicht im jeweiligen Augenblick. Wir planen unseren Tag oder die Woche und terminieren, wann wir was kochen, wann wir zum Sport gehen und wann wir wo essen gehen. Es ist aber besonders unserem Wohlbefinden dienlich, wenn wir uns auch mal in dem Augenblick fragen, ob das jetzt tatsächlich das ist was, wir brauchen oder nur das, was auf dem Plan steht. Und sich dann zu erlauben, vielleicht etwas anderes zu tun – ohne ein schlechtes Gewissen – das ist next Level. Bis dahin übrigens höre ich, immer wenn ich wieder anfange mein Gewicht abzuwerten auf voller Lautstärke: Schüttel Deinen Speck – von Peter Fox. Kann ich jedem empfehlen, wirkt Wunder. Damit feiere ich dann einfach meinen Body so wie er grade ist. Probier es aus 🙂

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