Eng getaktet

Ich recke und strecke mich in meinem Bett. Kuschelig wache ich auf, es ist Samstag morgen. Gleich habe ich entspannt eine Yogavertretung. Plötzlich erschrecke ich und reiße die Augen auf. Verdammt, der Wecker hat noch nicht mal geklingelt und ich bin trotzdem zu spät dran. Ich habe völlig vergessen, dass ich vorher noch mit dem Hund raus und die Katze füttern muss. Ich höre, wie Markus aufsteht und ins Bad geht. Nicht sein Ernst! Ich muss da doch jetzt rein. Ich warte, 5 Minuten fühlen sich an wie Stunden. Als er sich – erledigt von seinem gestrigen Männerabend – wieder hinlegt, stürze ich ins Bad, wasche mein Gesicht und ziehe mich an. Ich pfeife den Hund heran und hechte im Stechschritt in den Wald. Auf den Knopf der Kaffeemaschine konnte ich während des Sprints vom Bett zum Bad noch drücken, also habe ich immer hin einen To Go Becher mit Kaffee in der Hand. Ohne Koffein. Bringt mich also nicht in Wallung, aber bin ich schon genug….

Zurück in der Wohnung springe ich mit einem großen Satz von der Haustür direkt in die Küche, wo ich dem Hund seine Tabletten verabreiche. Diese bekommt er einen kurzen Zeitraum vor seiner normalen Mahlzeit. Und weil er gerne um die Tabletten herum alles weg lutscht und sie dann wieder ausspuckt, matsche ich so gut es geht kleine Bällchen aus seinem abscheulich riechendem Nassfutter zusammen, in deren Mitte ich die Tablette zu verstecken versuche. Diese stecke ich ihm dann möglichst weit hinten in seinen Hals – wenn ich Glück habe schluckt er sie dann nur noch runter. Erleichtert stelle ich heute morgen fest: es hat geklappt. Den Hund mit seinem Kragen gesichert (damit er nicht an seiner Wunde am Bein leckt) schnappe ich mir den Schlüssel meiner Nachbarn und eile durch unseren Garten nach Nebenan. Dort angekommen reiße ich schwungvoll die Balkontür auf, wo der Kater schon sehnsüchtig miaut. Während er um meine Beine schleicht, stolpere ich von der Küche ins Wohnzimmer, um ihm sein Essen zu servieren. Er maunzt und schnurrt einmal, dann widmet er sich seiner Mahlzeit. Das nehme ich als Signal und verlasse so schnell es geht die Wohnung. Zurück in meiner Eigenen bereite ich dann auch meinem Hund sein Frühstück zu und stelle es in der Küche ab. Ich atme tief durch. Läuft. Ich wechsle mein Outfit von Wald zu Yoga und mache mich beinah entspannt zu Ende fertig. Ich schmeiße Wasser und mein schlaues Yoga-Buch in meine Tasche und steige ins Auto. Trotz allem bin ich leicht im Verzug, komme aber mehr als Pünktlich am Yoga Studio an. Nur bin ich gerne noch eher da, um alles in Ruhe und ohne Check Ins vorbereiten zu können. Aber es geht. Ich koche Tee und lege die Handtücher zum aufwärmen in den Ofen. Die ersten Schüler trudeln ein und wir starten mit der Yogastunde. Ich freue mich als ich dabei feststelle, dass es mich auch dann runter holt, wenn ich auf der Lehrerinnen-Seite stehe. Mit meinen Schülern atme ich also tief durch und lasse den strammen Takt meines Morgens gehen.

Als ich später darüber beim Spaziergang sinniere fällt mir auf, wie selten ich nur noch in dieser Art von Stress bin. Früher mit Mitte 20 war ich das deutlich öfter. Stand später auf, drückte mehrfach auf Snooze und musste dann Knallgas geben. Hechtete von dem Vollzeitjob zum Auto, um in die Uni zu fahren. Um 10 war ich zu Hause, wenn ich Glück hatte. Heute darf ich meistens entspannter in meine Tage starten. Und meine Tage auch entspannter gestalten. Ich habe so ziemlich alles geändert. Ich weiß aber, dass unsere Gesellschaft noch immer in diesem Takt unterwegs ist. Für viele von uns klingt das von mir beschriebene wahrscheinlich entweder wie ein normaler Morgen oder gar wie Entspannung, weil bei ihnen noch mehr los ist. Wir halten es für normal in dieser Aneinanderreihung von Tasks zu existieren. Mehr noch: Wir glauben sogar, es ginge nicht anders. Schließlich ist das ja normal, macht ja jeder so. Und generell hat man eben viel zu tun, wenn man alles unter einen Hut kriegen will/muss. Wir sind das so gewohnt, dass wir gar nicht wissen, wie durchatmen geht. Mal zwischendrin nichts zu tun geht gar nicht, dann würde man ja seine Gedanken hören oder gar den Fuß vom Gas nehmen. Und das ist eben nicht drin, denn es muss schließlich gleich weiter gehen. Dass uns das krank macht, haben die meisten vielleicht schon im Umfeld mitbekommen. Aber dass es uns selbst treffen könnte, das verdrängen wir meist. Ebenso wie die Tatsache, dass es echt nicht lebenswert ist, dauerhaft unter Strom zu stehen. Ich meine was soll auf meinem Grabstein stehen: „…aber sie hat sich immer beeilt“ ?

Ich für meinen Teil habe an dem morgen fest gestellt, wie wenig in den Tag genießen kann, wenn er so beginnt. Wie unachtsam und gestresst ich direkt bin . Und ja, Gott bewahre aber ja, ich bin hier, um mein Leben zu genießen. Ich darf das machen, darf einen Gang runter schalten und Genuss vor Leistung stellen. Vielleicht sagst du jetzt: Ja aber man kann sich nicht immer nur entspannen. Das Leben ist kein Ponyhof. Es ist eben nicht alles nur Genuss. Dann frag dich erst einmal, ob das wirklich deine Sätze sind, oder nur die, die dir die Arbeitergesellschaft beigebracht hat. Und auf der anderen Seite: Was ist das Leben denn dann? Immer hart? Immer Arbeit? Ich bin sicher, damit können sich viele identifizieren, trotzdem müssen wir das so nicht machen!

Mag viele triggern, weil man uns was anderes erzählt hat. Und das ist auch an mir nicht spurlos vorbei gegangen. Auch ich struggle immer wieder mit dem Druck, den ich mir selbst mache. Trotzdem weiß ich eines ganz genau: Ich habe das in der Hand. Ich bin kein Opfer der Umstände. Ich habe selbst gewählt und gestaltet. Und kann das auch weiterhin tun. Diese Erkenntnis kann weh tun, wenn ich vielleicht erkenne, dass ich mich selbst in diese Lage gebracht habe. Und ein erster Impuls kann durchaus sein zu glauben, man könne daran nichts ändern. Vielleicht sträubt man sich, weil so ein Muster auch meistens für irgendwas gut ist. Oder man glaubt, dass das eben nicht jeder von uns kann. Aber Darling, i am sorry, dass ich es so direkt sage, aber: Du hast trotzdem Spielraum! Du musste aber zuerst die Verantwortung übernehmen. Damit steht und fällt es. Denn das Tolle ist: Du kannst Dich auch wieder aus der Lage heraus bringen.

Wir leben in einem Maschinentakt, habe ich letztens einen sehr interessanten Artikel* gelesen. Darin ging es zwar eher um die Jahreszeiten und das Leben in Rhythmen. Aber auch das passt sehr gut in diesen Kontext. Denn wieso sollten wir das wollen? Wieso will ich versuchen an die Taktung einer Maschine heran zu kommen? Wir leben in einer sehr Yang-orientierten Welt, sehr viel männliche, schaffende Energie. Uns fehlt die Balance in die weibliche, Yin-orientierte Energie. Nicht überall, man schaue z.B. nach Italien und erblicke das süße nichts tun. Aber eben die sanfte Seite fehlt uns oft. Sie kann uns helfen, einen Gang runter zu schalten. So langsam kann man erkennen, dass sich diese Kraft mehr und mehr erholt und größer wird. Wir fangen an, uns dem wieder zuzuwenden. Viele Angebote gibt es mittlerweile schon, um das zarte, weibliche und sanfte zu fördern und zu feiern – besonders in der Yoga-Welt. Und ich freue mich darüber. Ich sehe riesiges Potenzial darin, unsere Welt in ein liebevolles Gleichgewicht zu bringen. Und wie immer: Alles fängt bei Dir selbst an!

* Quelle: https://www.furche.at/wissen/maximilian-moser-wir-leben-im-maschinentakt-1324250

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