Wie gut kannst Du mir Rückschlägen umgehen? Erträgst du Enttäuschungen leicht oder neigst du eher dazu, etwas niemals wieder machen zu wollen, wenn du enttäuscht wurdest? Ich steigere mich manchmal enorm in meine Frustration hinein, wenn sie mich mit voller Wucht erwischt. Und frage mich dann, wie ich das nur machen soll, wie andere das denn schaffen. Warum das immer mir passiert. Meine Gedanken ziehen Kreise und ich bin überzeugt: Das halte ich nicht aus, das kann doch nicht immer so weiter gehen. Etwas Drama ist wohl manchmal dabei. Kann ich also – anstatt tatsächlich aufzugeben – etwas an meinem Umgang mit dem Frust ändern? Meine Toleranz erhöhen vielleicht?
Ich sitze geknickt auf dem Rand meines Bettes, das Handy in der Hand. Meine gerunzelte Stirn und meine Finger an meinem Nasenrücken verraten schon von weitem, das etwas nicht stimmt. Ich bin so enttäuscht und weiß grade gar nicht, wohin mit meinem Gefühl. Soll ich weinen? Wütend irgendwo vor treten? Einfach gleichgültig aufgeben? Ich habe seit geschlagenen 2 Stunden versucht, ein Reel für Instagram vorzubereiten. Habe es geschnitten, mit Text versehen und immer wieder angepasst. Ich habe es voller Vorfreude und Stolz hochgeladen. Und aus welchem Grund auch immer ist der gesamte Text nirgends zu sehen. Ich hatte mir so eine Mühe gemacht. Und das ist bei weitem nicht das erste Mal, dass mir das passiert. Nur jetzt – nachdem ich wiederholt der selben Situation ausgesetzt bin, fühle ich mich unendlich Machtlos. Und auch irgendwie nicht mehr wütend, wie bei den ersten Malen. Da war das Feeling ganz klar: Ich war unfassbar sauer. Wut setzt Energie frei und an einem Handy oder PC sitzend weiß man zwar ganz oft gar nicht, wohin damit. Aber dem kann ich mir wenigstens lauthals Luft machen. Mich aufregen, mich äußern. Diesem heutigen niedergeschlagenen, gar ohnmächtigem Gefühl weiß ich so gar nicht so recht zu begegnen. „Ich habe auf diese Scheiße keinen Bock mehr!“, denke ich und stehe vom Bettrand auf. „Ich mach das nicht mehr, das halte ich nicht immer wieder aus. Das kann doch nicht immer so gehen. Wie machen andere das nur?“, sage ich und gucke geknickt nochmal aufs Display.
Wenn es zu solchen Situationen kommt, in denen ich nicht weiß wie ich damit umgehen soll, neige sofort zu Extremen. Meine Gedanken sind absolut und Worte wie „immer“, „niemals“ und „gar nicht“ dramatisieren die Situation. Dass es nicht jedes mal so war und auch nicht immer so sein wird, kann ich dem Augenblick nicht erkennen. Ich finde, besonders in der digitalen Welt ist der Umgang damit ebenso wichtig, wie nötig. Denn so oft hält grade diese Welt so viel von kleinen Frustrationen für uns bereit. Der Laptop braucht 5 Jahre um hoch zu fahren. Das Programm möchte erst updaten, bevor ich es nutzen kann. Ich habe vergessen, zwischen zu speichern und der Strom ist leer – PC fährt runter und das Dokument ist weg. Es gibt noch hunderte ähnlicher Situationen und grade an einem Schreibtisch sitzen weiß man oft nicht wohin mit sich, wenn so etwas passiert. Ich kann dabei und auch so nicht gut mit meinem Frust umgehen, habe eine geringe Toleranz dazu. Die Tendenz aufzugeben liegt schwer in der Luft. Aber was genau brauche ich denn hier?
Toleranz ist die Fähigkeit, eine Situation wertfrei anzunehmen wie sie nun einmal ist. Es stammt aus dem Lateinischen von tolerantia = geduldiges Ausharren der toleratio = Erdulden. Wir lassen also eine Gegebenheit so sein, wie sie ist.
Frustration ist ein Gefühl der Machtlosigkeit oder auch Enttäuschung, weil eine Erwartung nicht eingetreten ist.
Frustrationstoleranz beschreibt also, konstruktiv mit einer Enttäuschung umgehen zu können. Man kann also besser mit Rückschlägen umgehen und Hindernissen auch langfristig begegnen, ohne sich klein kriegen zu lassen. Das klingt definitiv nach etwas, was ich gut brauchen kann. Ich möchte mich nämlich gar nicht jedes mal so dermaßen ärgern oder aufgeben wollen. Ich weiß, dass mir generell im Leben noch mehr Situationen widerfahren werden, in denen Frust unumgänglich ist.
Wie also kann ich die Toleranz dazu stärken?
- Üben, üben, üben
- Ja, leider ist hier das wohl erfolgsversprechendste Tool, sich immer wieder solchen Situationen bewusst auszusetzen und dabei nicht aufzugeben. Weiter zu machen und das Ziel zu erreichen. Selbst wenn wir dabei schreien könnten: Haben wir es am Ende geschafft, trainieren wir damit, nicht aufzugeben und können langfristig lockerer mit Rückschlägen umgehen.
- Wortwahl
- Wie ich schon sagte, neige ich dazu die Situation zu dramatisieren – nicht zuletzt mit Worten. Worte haben aber einen großen Einfluss auf uns. Daher reden wir also besser von einem kleinen Hindernis oder einer Hürde, die es zu nehmen gilt anstatt von einer Katastrophe, einem völligen Misserfolg oder einer Tragödie.
- Blickwinkel
- Sind wir wegen etwas frustriert, fokussieren wir uns ganz und gar auf den Augenblick und das Gefühl der Enttäuschung. Wir dürfen das auch ruhig fühlen. Danach ist es dann gut, sich wieder auf das Große Ganze auszurichten und einen Schritt zurück zu treten: Kann mir das Ganze etwas nutzen? Wie wichtig wird dieser Moment in 5 Jahren noch sein? Welches Ziel verfolge ich damit und lohnt es sich vielleicht, dafür die Zähne zusammen zu beißen?
- Situation verlassen
- Nicht nur ich neige dazu, mich rein zu steigern – das ist nämlich ganz menschlich. Wir fangen an zu grübeln und uns festzubeißen. Deshalb kann es auch helfen, erst einmal etwas anderes zu tun bevor man weiter macht. Grade körperliche Aktivität und Sport helfen, die Energien los zu lassen und umzuwandeln. So kriegen wir den Kopf wieder frei und können mit frischem Wind weiter machen.
Tatsächlich freue ich mich heute umso mehr, wenn ein Reel glückt und problemfrei hochlädt. Das hätte ich sicherlich ohne die Hürde des Frustes gar nicht zu schätzen gewusst und als selbstverständlich hin genommen. So kann ich aber meine wenn auch kleinen Erfolge feiern und freue mich über jeden kleinen Schritt, der heute besser läuft als zuvor. Auch das kann eine schöne Sichtweise sein, um nicht aufzugeben und sich nicht aufhalten zu lassen. Setzt aber voraus, dass ich eben genau das schon getan habe: Weiter. Außerdem habe ich auch den Perfektionsdrang in diesem Bereich ein wenig eingedämmt. Es reicht mir, wenn es ganz schön ist und muss nicht immer und immer wieder verbessert werden, bevor ich es endlich uploade. Auch ein kleiner gar nicht verkehrter Side-Effect der Frustration. Vielleicht schaffst du auch, das ganz individuell für dich zu nutzen. Falls nicht oder auch trotzdem: Schreiend in den Wald laufen ist auch immer eine gute Option.