Akzeptiere Deinen Schatten

Jeder von uns hat Seiten, die uns nicht gefallen. Anteile, die wir gerne unterdrücken und nicht nach außen tragen möchten. Angewohnheiten, Charakterzüge und persönliche Züge, zu denen wir nicht stehen, die wir lieber verleugnen oder sogar gänzlich verdrängt haben. Das sind die Seiten in uns, die wir als ablehnend bewerten, als nicht gut oder nicht nett verstehen und die uns in anderen vermutlich am meisten heraus fordern, auf die wir am heftigsten reagieren. Unsere Schattenseiten. Vermutlich sind es besonders in der Persönlichkeitsentwicklung die negativen, jammernden und nervigen Anteile, die wir so sehr versuchen los zu lassen. Aber besonders bei dem Versuch, diese frei zu geben und sich anders auszurichten scheitern wir und lassen nicht locker, sondern unterdrücken die dahinter liegenden Gefühle. Und das lässt die Schatten größer werden und sie uns in anderen besonders dunkel und mächtig erscheinen. Weil wir uns für diese Seiten an uns schämen oder sie uns peinlich sind, sie uns traurig machen. Doch genau deshalb sollten wir zu ihnen stehen. Um wahrhaftig innerlich frei und authentisch im Außen zu sein ist es besonders wichtig, auch unsere Schatten zu akzeptieren. Aber dafür müssen wir sie zunächst mal kennen. Wie also erkennen wir unsere Schattenanteile und wie können wir lernen mit ihnen um zu gehen und sie vielleicht sogar zu integrieren?

Mein Schatten im Hintergrund

Bewusste und unbewusste Anteile

Ich habe so einige schattige Teile in mir, die ich so gar nicht gern zeige. Die ich am liebsten leugnen will. Vor allem wenn es welche sind, die mich schon so lange begleiten und die ich dachte längst los gelassen zu haben. Ihnen in Vergangenheit genügend Zeit und Raum gegeben habe, damit sie endlich genug haben – so hatte ich das irgendwie gehofft. Dass ich aus alten Fehlern gelernt hätte. Aber die Wahrheit ist: Nur weil man mal einen Fehler gemacht hat bedeutet das nicht, dass man aus diesem auch für den Rest seines Lebens lernt. Oder wenn man eine lange Zeit immer mies drauf war und anderen die Schuld gab, dass es mit der bloßen Erkenntnis dessen dann erledigt ist. Im Gegenteil: je länger wir ein Verhalten immer wieder üben, desto länger dauert es, eben dieses wieder abzulegen.
Einen Schatten von mir habe ich in einem der letzten Beiträge bereits erwähnt: Das ständige Gemotze. Ich hab es lange getan und lange super gefunden. Auch heute kann ich leidenschaftlich wettern, meiner Meinung freien Lauf lassen, laut poltern und mich fürchterlich aufregen. Ich jammere, meckere, motze, ich werde richtig laut und immer forscher. Doch im Laufe der Zeit fiel mir auf, dass ich mich eigentlich lieber auf die schöneren Dinge fokussieren möchte, mich lieber mit sonnigen Seiten des Lebens befassen will, wenn es möglich ist. Vor allem, wenn es um das immer gleiche geht, ich mich jeden Tag über das Selbe beschwere, aber nicht aktiv etwas daran ändere. Und seit ich versuche, diesem unüberlegten Gebrüll nicht mehr so viel Zeit und Raum zu geben, fällt es mir bei anderen umso mehr auf. Und das wiederrum führt leider nur dazu, dass ich mich genau darüber ärgern will: Ich wünsche mir, dass auch mein Umfeld mit mir an einem Strang zieht, damit ich es leichter habe. Damit wir alle gemeinsam schöne Erfahrungen und lustige Geschichten austauschen können. Und weil ich so vehement versuche, mich von diesem Verhalten zu lösen, fällt es mir bei anderen eben besonders auf. Nicht nur das – ich fühle mich dahingehend richtig eingeschränkt, als würde es mir etwas anhaben, andere motzend reden zu hören.
Das ist bei weitem nicht mein einziger Schatten. Ich bin hin und wieder extrem genervt, weil ich es nicht schaffe meine Bedürfnisse vorab zu erkennen und sie deutlich zu kommunizieren. Ich bin rechthaberisch und dickköpfig und wahnsinnig trotzig. Ich bin manchmal überdurchschnittlich wütend, so dass es gar nicht der Situation angemessen erscheint. Außerdem bin ich jemand, der große Ängste, Zweifel und Sorgen hat, manchmal sehr verkopft ist und sich viel zu sehr rein steigert. Weil ich innerlich gar nicht selten unsicher bin, kann ich es gar nicht gut leiden, wenn andere mir Ihre ungefragten Meinungen und Ratschläge aufdrängeln. Auch darauf reagiere ich wütend. Und dies sind nur die Anteile, derer Existenz ich mir bewusst bin. Sicherlich gibt es noch einige, von denen ich gar nichts weiß.

Unliebsame Anteile

Diese verdrängten unliebsamen Anteile in uns wurden durch den Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung als unsere „Schatten“ bekannt. Nach Jung sind Schatten unsere unbewussten Wesenszüge, die nicht zu unserem positiven Selbstbild passen. Diese Eigenschaften liegen so tief in uns vergraben, dass wir uns ihnen meist gar nicht bewusst sind. Sie wurden uns durch Erziehung und gesellschaftliche Ansichten abtrainiert, wir haben uns angepasst. Dadurch projizieren wir sie auf Andere, wir reagieren meist extrem, wenn unser Gegenüber eben einen unserer Schatten zur Schau stellt, weil wir uns nicht erlauben, ihn auszuleben. Wir reagieren jedoch nur auf Dinge, die uns allzu bekannt sind. Wäre uns etwas nicht bekannt, würden wir es gar nicht bewusst wahrnehmen.
Auch im Yoga finden wir im weitesten Sinne Informationen zum Umgang mit unseren Schatten. Dort geht es um die sogenannten Kleshas – die Gründe, weshalb wir immer wieder in Schwierigkeiten geraten. Es handelt sich um Unwissenheit, Ego, Gier, Ablehnung und Angst. Evolutionsbedingt brauchen wir all diese erlernten Muster, um in der Welt zurecht zu kommen. Aber sie stellen auch Hindernisse dar, unseren Geist klar und ruhig werden zu lassen. Deshalb ist es wichtig, ihr Wirken zu erkennen und Einfluss darauf zu nehmen – sich also nicht mehr blind nach seinen Gewohnheiten zu verhalten, sondern zu erkennen was dahinter liegt. Außerdem beschreibt der Yoga-Weg das Konzept von duhkha – ein Gefühl von Eingeschränktheit oder auch Unfreiheit, was hier auch wiederrum passend ist. Denn wir sind nicht frei, wenn wir unsere Schattenseiten unterdrücken. Ein Glied des Yogapfades nennt sich „Niyama“ und beschreibt die innere Haltung und mein Verhalten mir selbst gegenüber. Dabei wird auch von Svâdhyâya gesprochen, die Selbsterforschung. Diese ist ein fester Bestandteil von Yoga und dabei ist es durchaus möglich, dass wir auf unsere Schatten stoßen.

Um unsere Schatten zu unterdrücken und zu verdrängen brauchen wir viel Energie und trotzdem suchen sie sich über kurz oder lang einen anderen Weg, um sich praktisch Luft zu machen. Beispielsweise kann diese krampfhafte Unterdrückung in schmerzhaften Symptomen ohne organische Ursache oder auch Unverträglichkeiten münden. Unser Körper reagiert darauf und zeigt uns, dass es einen Teil gibt, den wir ebenfalls akzeptieren müssen, um ganz zu werden, um zu heilen. Im Kern des Ganzen geht es mal wieder um Selbstliebe oder auch Selbstakzeptanz. Wir möchten voll und ganz leben und uns erfahren und dafür müssen wir uns auch erlauben, alles zu fühlen und alles zu sein, was wir sind. Wir sind Menschen, es sollte eigentlich ganz natürlich sein, Fehler machen zu dürfen oder liebevoll mit vielleicht schlechten Angewohnheiten umzugehen, um etwas daran zu ändern, anstatt mit einer Keule hinter sich selbst her zu rennen und sich zu verurteilen und nieder zu machen.

Innerer Beobachter vs. Innerer Kritiker

Wie also erkennen wir unsere Schatten? Und wie können wir sie annehmen und akzeptieren? Im ersten Schritt geht es mal wieder um ein gutes Maß an Achtsamkeit und Abstand. Unser innerer Beobachter ist gefragt. Wir können als Intention der Woche die Aufdeckung unserer Schattenanteile wählen und uns aktiv im Alltag beobachten. Besonders geht es hier um den Umgang mit anderen Menschen. Und wenn wir bemerken, dass unser Gegenüber eine starke Reaktion oder gar eine heftige Ablehnung in uns hervorruft, können wir uns fragen warum. Was finden wir so schlimm? Gibt es an ihm einen Anteil, den wir selbst in uns tragen und nicht mögen? Sicherlich ist es gar nicht so einfach, das zu erkennen und noch schwieriger ist es, sich das einzugestehen. Aber mit etwas Wohlwollen uns selbst gegenüber und ein wenig Neugier werden wir früher oder später dazu stehen können. Wenn wir eine Ahnung davon bekommen haben, welche unbeliebten Eigenschaften in uns verborgen liegen, fragen wir uns zur Akzeptanz einmal, was sie uns nutzen können, ob sie auch eine gute Seite haben. Hier geht es darum, auch diese Teile anzuerkennen und vielleicht zu bemerken, dass es auch Vorteile haben kann, sie zu integrieren. Dahinterstehende Gefühle können immer nützlich sein, wenn wir sie einsetzen möchten. Wut bringt uns Energie, die wir vielleicht brauchen und liefert uns einen Antrieb, ins Tun zu kommen. Oder Zweifel bringt uns dazu, unseren Verstand zu benutzen und abzuwägen, eine bewusste Entscheidung zu treffen. Durch das Gefühl, genervt zu sein erkennen wir vielleicht eine Grenze, die überschritten wird und die wir besser abstecken können. So findet sich für jede abtrainierte Eigenart vielleicht auch eine positive Seite. So können wir unseren Schatten integrieren und ihm eine Daseinsberechtigung einräumen, anstatt dem inneren Kritiker zuzuhören, während er uns für diese Eigenschaften nieder mäht. Vielleicht hat dein Schatten eine Aufgabe, vielleicht ist es gut, ihn um Rat zu fragen oder ihm Raum zur Entfaltung zu geben, denn er will Dich meistens nur schützen. So dient uns unser Schatten für eine bessere Selbstfürsorge. Und ihn zu integrieren lässt uns nach langer Zeit vollständig werden, wir vertragen uns praktisch mit uns selbst. Wir können heilen, wir können mit allen Anteilen leben, die wir in uns tragen und zu uns selbst stehen – ehrlich und wahrhaftig. Und das ist ein Geschenk, denn das bedeutet innerliche Freiheit. Uns selbst zu erlauben, wirklich wir selbst zu sein und das auch offen der Welt da draußen zu zeigen.

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