Auch heute möchte ich sehr gern wieder bei der Bedeutung dieser Redewendung starten – „Schmutzige Wäsche waschen“. Wie sich die meisten wahrscheinlich auch schon denken können stammt diese Redensart von früher, als sich die Frauen an einem Brunnen oder Wasserloch trafen, um dort ihre schmutzige Wäsche zu waschen. Dabei wurde auch der neuste Klatsch und Tratsch ausgetauscht, übereinander gesprochen und auch hergezogen. Logisch. Doch warum ist die Tendenz zum Lästern bei Frauen viel höher als bei Männern? Und warum fühlen wir uns grundsätzlich von vermeintlich negativen Geschichten über jemand anderen so angezogen und urteilen so gern über Andere?
Grundsätzlich erzeugt das Gewäsch hinter dem Rücken eines Anderen ein Wir-Gefühl. Man fühlt sich in dem Augenblick miteinander verbunden, weil man der gleichen Meinung ist. Das verbindet. So wird auch das Vertrauen untereinander gestärkt. 2 fremde Menschen, die bemerken, dass sie im Hinblick auf eine andere Person die gleiche Meinung haben verstehen sich gleich besser, weil sie etwas gemeinsam haben: Nämlich die andere Person vielleicht blöd zu finden. Die eigenen Werte spielen eine Rolle und wenn wir bemerken, dass eine andere Person diese Werte teilt, fühlen wir uns mehr zu ihr hingezogen. In gewisser Weise ist Lästern also sogar eine Art sozialer Schmierstoff. Außerdem dient er natürlich auch unserer Unterhaltung. Die wenigsten finden es nicht interessant, was die frühere Schulfreundin heute macht oder wie sie aussieht. In Gruppen wird das Gewäsch dann auch unkontrollierter, je mehr Menschen die gleiche Meinung teilen. Man schaukelt sich quasi gegenseitig hoch und es wird tendenziell gehässiger und abwertender gesprochen, als wenn sich nur 2 Personen austauschen würden. Der eine bestärkt den anderen und in der Gruppe nimmt das ganze dann Fahrt auf und wird zu einem selbstständigen Prozess.
Außerdem stärkt es natürlich unser eigenes Ego, wenn wir jemand anderen schlecht machen. Wenn wir bemerken, dass wir es besser gemacht hätten, dass unsere eigenen Werte besser sind, unser Aussehen schlanker, die Frisur schöner. Das liegt natürlich im Auge des Betrachters, was hier besser und was schlechter ist. Tauschen wir uns aber dann auch noch mit jemand anderem darüber aus und sind einer Meinung, stärkt das wiederum unsere Wertevorstellungen und unser Ego. Der eigene Selbstwert wird angehoben. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass sich ein geringer Selbstwert natürlich positiv auf das Lästern auswirkt: Je lauter wir Andere abwerten, desto besser fühlen wir uns, weil der eigene Wert dadurch gefühlt steigt.
Aus einer Studie aus Kanada geht hervor, dass Männer tatsächlich weniger lästern als Frauen und generell auch über andere Themen sprechen, wenn sie es denn tun. Bei Frauen geht es viel um Verhalten und Aussehen. Bei Männern hingegen um Sportmannschaften und den Status. Männer sind untereinander solidarischer und bilden auf sozialen Events schnell Gruppen, um sich sicher zu fühlen. Frauen hingegen schaffen Vertrauen, indem sie sich über eine geteilte Meinung gegenüber einer Dritten Person verbünden. Es geht hier um die Konkurrenz untereinander, denn es wird unterbewusst versucht, eine potenzielle Kontrahentin auszuschalten.
Ihr seht also: Lästern hat auch soziale Motive und ist nicht nur schlecht. Verpönt ist es aber gesellschaftlich trotzdem, obwohl es jeder schon mal tut. Es gibt natürlich auch Unterschiede, ob wir sachlich etwas kund tun und uns damit einfach mal Luft machen wollen oder ob wir einfach in jeder Suppe ein Haar finden, über das wir dann lauthals mit jemand anderem tratschen müssen. Doch was könnt ihr denn nun unternehmen, wenn ihr euch unwohl in einer Situation fühlt, in der Lästern um Vordergrund steht?
Mehrfach stieß ich im Netz auf den folgenden Satz: „Warum erzählst Du mir das?“ . Wenn Eure Freundin oder Euer Freund anfängt, mit Euch über etwas herzuziehen und ihr Euch dabei nicht wohl fühlt und dem gern ein Ende setzen wollt, fragt ihn oder sie nach der Absicht seines/ihres Gewäschs. Denn nur allzu selten gibt es hierauf eine vernünftige Antwort. In den meisten Fällen wird er oder sie die Frage gar nicht beantworten können. Möglicherweise fühlt sich Euer gegenüber vor den Kopf gestoßen und reagiert pampig auf diese Frage. Dann oder auch generell gleich zu Anfang einer solchen Situation könnt Ihr Euch anhand Eurer Werte erklären. Insbesondere in einer Clique, wo übereinander getratscht wird, weil eine Person der Gruppe fehlt, kann sich das schon mal falsch anfühlen. Ihr sagt, dass ihr da nicht so gern mitmachen wollt, weil die besagte Person auch grad gar nicht da ist, um sich zu verteidigen, vielleicht auch, dass ihr euch dabei nicht wohl fühlt. Dabei ist es dann auch gar nicht so wichtig, was alle Anderen davon halten sondern nur, dass ihr euch klar positioniert habt. So wissen alle Beteiligten, dass ihr da nicht mehr viel zu beisteuern werdet. Seid ihr hier in einer Gruppe, ist es wichtig zu verstehen, dass ihr keinerlei Verantwortung tragt für das Verhalten der Anderen. Wir neigen oft dazu, Ratschläge zu erteilen und uns innerlich gegen diese Situation zu wehren, vielleicht auch die nicht Anwesenden zu verteidigen oder alles auf uns selbst zu projizieren. Hier kann man die Verantwortung eine Lösung zu finden einfach mal abgeben. Wichtig ist an dieser Stelle, dass Ihr den Anderen keine Vorwürfe macht sondern einfach in der Ich-Perspektive kommuniziert, wie Ihr Euch fühlt. Wird das Thema dann vertieft, schaltet Ihr auf Durchzug, holt Euch was zu trinken oder geht auf Toilette.
Wenn Ihr nur zu zweit seid und Eure Freundin oder eurer Freund sich vielleicht einfach mal Luft über etwas machen möchte, könnt Ihr auch seine Gefühle respektieren ohne mit in einen Läster-Strudel gezogen zu werden. Meistens wollen wir alle mit unserem Gefühl einfach nur da sein dürfen und das könnt Ihr Eurem Gegenüber auch schenken. Meistens ist es so schön, wenn wir einfach nur Verständnis für unsere Gefühle erhalten. Eurem Freund also zu sagen: „Ich verstehe, dass Du dich verletzt fühlst oder enttäuscht bist.“ So nimmt das Gespräch dann vielleicht einen ganz anderen Lauf. Auch hier ist es so hilfreich, sich nicht verantwortlich zu fühlen und etwas eliminieren zu wollen. Meistens geraten wir nämlich in so einen Tatendrang mit Ratschlägen und Urteilen. Das ist gar nicht unbedingt nötig, wenn wir uns erlauben, einfach nur da zu sein ohne etwas tun zu müssen.
Generell kann Euch das Lästern auch eine gewisse Freiheit schenken. Denn wenn Ihr in Eurer Clique bemerkt, dass alles und jeder schon einmal beurteilt wurde von der Gruppe, ist es vielleicht utopisch zu glauben man könne alles richtig machen und erlaubt sich selber, einfach man selbst zu sein. Wie wichtig ist es mir, dass vermutlich auch über mich schon mal geredet wurde, egal was ich tat? Natürlich ist die Vorstellung sicher nicht so schön, aber es ist ganz menschlich, sich einfach mal Luft zu machen. Und wenn dieses Gewäsch sowieso zu nichts führt, muss es auch nicht so Ernst genommen werden. Natürlich braucht man dafür einen recht soliden Selbstwert. Vielleicht schaffen wir es ja, diesen Stück für Stück zu erreichen, auch wenn wir das heute noch nicht können.
Ich möchte gern die Kernaussagen nochmal versuchen zusammen zu fassen:
- Lästern = sozial – nicht nur schlecht
- Direkthilfe Satz: „Warum sagst du mir das?“
- Eigene Werte kennen und anhand dessen ein Raushalten erklären
- Verantwortung für „Lösung finden“ abgeben und auf Durchzug stellen
- Die Gefühle des Anderen dahinter erkennen und respektieren
- Freiheit dahinter erkennen
Ich hoffe, Ihr könnt Euch wieder eine Kleinigkeit für Euren eigenen Weg mitnehmen. Alle Themen, die ich hier beleuchte, beschäftigen mich auch immer selber. Ich finde die Vorstellung schön, damit nicht alleine zu sein. Wenn Ihr auch immer mal wieder am Thema „Lästern“ zu knabbern habt, fühlt Euch hier einmal gesehen, ich glaube das ist völlig okay. Natürlich freue ich mich auch über Fragen und Anregungen und für einen Austausch lade ich Euch herzlich ein, mir auf Instagram @open_your.soul zu folgen. Ich wünsche Euch den Mut, Eure Gefühle offen zu zeigen und immer wieder zu Euch selbst zu stehen. Alles Liebe und bis bald, Eure Julia