Das hatte ich mir anders vorgestellt: Ich wollte meinem Vater beim Ausräumen seines Dachbodens auf der Arbeit helfen. „Ein paar Kartons“, hatte er gesagt. Was sich allerdings vor mir auftürmt, ist weitaus mehr als das. Die Kartons sind wirklich nur ein paar, darüber hinaus sehe ich aber alte Bilder, Elektroschrott, einiges an Müll, Krims-Krams in Wäschekörben, alte CDs und Videokassetten, Weinflaschen und Gedöne. Eben alles, was sich so auf einem Dachboden über die Jahre hinweg ansammelt, wenn man dafür keinen Keller hat. Die besagten Kartons sind dann auch noch so schwer, dass ich sie nicht hochheben kann. Ich kneife die Augen zusammen. Was mach ich jetzt?
Ich beginne die Kartons die Treppe herunter zu schleifen und sie mit meinem Körper zu bremsen. Unten angekommen schiebe ich sie über den Boden in Richtung Ausgang. Es funktioniert. Ich schwitze zwar bereits nach 5 Minuten, bin aber ebenso erleichtert, dass es klappt. Ich bleibe motiviert, denn erstens habe ich Hilfe durch meinen fabelhaften Freund, der vor Energie nur so strotzt und gar nicht weiß, wohin damit – welcher auch in der Lage ist, besagte Kartons hochzuheben. Zweitens hat mein Papa Rücken. Schon seit mehr als 2 Wochen kann ich kaum mit ansehen, wie er in leicht gekrümmter Haltung tapfer die Stellung hält. Und da er trotz allem gerne Dinge erledigt weiß, habe ich mich nun eingeschaltet – denn sonst würde er vermutlich trotz des Rückens den Dachboden alleine leer räumen, damit er es hinter sich hat.
Als die Hälfte des Dachbodens geräumt ist, beginne ich zu schwächeln. Ich merke, wie mich die Kräfte verlassen, das Anheben und wegtragen fällt mir von mal zu mal schwerer. Zuerst beiße ich die Zähne zusammen, bis ich merke, dass ich auch auf mich achten muss. Sonst hat hier bald der bzw. die Nächste Rücken. Also werde ich langsamer, nehme leichtere Sachen und mache Pausen. Markus ist immer noch fleißig und energiegeladen. Und dank ihm schaffen wir auch noch den Rest, ohne dass ich mich danach einäschern muss. Ich bin sicher: An diese männliche Energie komme ich nicht heran – besser ich versuche es erst gar nicht. Was mir gar nicht so leicht fällt.
Denn ich möchte mich für andere Einsetzen und meine Hilfe auch mal großzügig teilen. Jedoch weiß ich, dass es mir selbst nicht dienlich ist, wenn ich mich dabei selbst vergesse. In meinen 20ern hatte ich davon noch keine Ahnung. Und auch heute sehe ich bei vielen Menschen – vor allem Frauen – wie die Bereitschaft, anderen zu helfen, zu einer Aufopferung ihrer selbst führt. Deshalb möchte ich hier noch einmal teilen, warum es so wichtig ist, eine ausgewogene Balance zwischen Hilfsbereitschaft und Selbstfürsorge zu finden:
Die Falle der Aufopferung
Hilfsbereitschaft ist eine echt schöne Tugend, die viele von uns in ihrem Kern tragen. Der Wunsch, anderen zu helfen, ist ein bewundernswertes Merkmal unseres menschlichen Wesens. Doch wenn die Hilfe zu einer ständigen Opferung unserer eigenen Bedürfnisse führt, geraten wir in einen Kampf. Es ist wichtig zu erkennen, dass wahre Hilfsbereitschaft nicht bedeuten sollte, sich selbst zu vergessen.
Selbstfürsorge als Grundpfeiler
Selbstfürsorge ist keine egoistische Handlung, sondern ein grundlegender Baustein für ein erfülltes und ausgeglichenes Leben. Wenn wir uns selbst vernachlässigen, leidet nicht nur unser eigenes Wohlbefinden, sondern auch die Qualität unserer Hilfe für andere. Nur wenn wir in der Lage sind, unsere eigenen Ressourcen aufzufüllen, können wir nachhaltig für andere da sein. Aber wie?
Praktische Schritte zur Balance
- Bewusstsein schaffen: Reflektiere regelmäßig über deine eigenen Bedürfnisse und wie sie mit deiner Hilfsbereitschaft in Einklang stehen.
- Grenzen setzen: Lerne deine Grenzen kennen, indem du deine Bedürfnisse berücksichtigst. Und dann lerne, „Nein“ zu sagen, wenn du zu Gunsten eines anderen über deine eigenen Grenzen hinweg gehst. Was damit einher geht und ich mir so gewünscht hätte zu wissen: Du lernst auch mit der Zeit, wie du dann kein schlechtes Gewissen mehr hast. Es geschieht durch die Übung und das Aushalten des vielleicht zuerst unangenehmen Gefühls, wenn Du Nein sagst.
- Selbstfürsorge-Rituale: Integriere bewusste Selbstfürsorge-Rituale im Alltag, sei es durch Yoga, Meditation oder andere Aktivitäten, die dich mit dir selbst verbinden. Für mich ist Yoga auch ein Blick nach innen, den ich sonst im Alltag gerne mal vergesse. Viele von uns sehen mehr die anderen und deren Wünsche und Erwartungen. Weil mir dies immer wieder geschieht, nutze ich Yoga so gerne, weil ich während dessen alles Bewusstsein auf mich selbst richte. Und dadurch nehme ich das auch mit in meinen Alltag. Ich schaffe einen Raum und Aufmerksamkeit für mich selbst, die im Trubel schonmal untergehen kann. Was immer dir diese Verbindung zu dir selbst schenkt: Mache es für dich zu einer Regelmäßigkeit.
Die Kraft der ausgewogenen Balance
Die Kunst der Selbstfürsorge liegt darin, eine ausgewogene Balance zwischen Hilfsbereitschaft und deinem persönlichem Wohlbefinden zu finden. Gib dir selbst die Erlaubnis, dich um deine eigene innere Balance zu kümmern. Darin liegt nicht nur der Schlüssel zur echt kraftvollen Hilfsbereitschaft, sondern auch zu einem harmonischen Leben mit dir selbst.