Magst du es gerne, dich zurück zu ziehen? Dir Zeit ganz allein für Dich zu nehmen? Allein zu sein? Oder ist das so gar nicht dein Ding? Für mich ist es so wichtig, um mal abzuschalten. Um von nichts und niemandem um mich herum abgelenkt zu werden. Aber eine ganze Weile habe ich das vergessen. Ich habe mich gar nicht getraut, darum zu bitten. Und eine ganze andere Weile konnte ich mir das nicht vorstellen. Zu dieser Zeit wollte ich lieber gar nicht mit mir allein sein. Ist es also universal gut für jeden, mal für sich zu sein? Ist das vielleicht bei jedem anders? Oder hängt das vielleicht auch von ganz anderen Dingen ab?
Ich sitze auf der Couch, esse den 3. Schokoriegel und gucke Fernsehen. Eigentlich interessiert mich das, was da läuft gar nicht so sehr. Ich hätte morgen sicherlich vergessen, dass ich es nicht zu Ende geguckt hätte, wenn ich jetzt abschalten würde. Aber irgendwie will ich noch nicht, obwohl ich langsam echt mal schlafen müsste. Ich mache einen Kompromiss mit mir selbst und verlege das Ganze ins Schlafzimmer. Dort habe ich auch einen Fernseher. Ich nutze so gerne die Sleep Timer Funktion, um über dem Fernseher einzuschlafen. Es beruhigt mich, wenn etwas im Hintergrund vor sich hin sabbelt.
Das ganze ist nun schon ein paar Jahre her. Heute habe ich gar keinen Fernseher mehr in meinem Schlafzimmer. Die Tatsache, dass ich gerne über etwas wegdämmere, habe ich wunderbar mit Hörbüchern gelöst – denn das mag ich auch jetzt noch. Für meinen Geist total beruhigend. Aber im Grunde weiß ich heute, dass es damals gar nicht um das Einschlafen ging, sondern ums alleine sein. Ich konnte die Stille nicht so gut ertragen. Brauchte zu Beruhigung ein bisschen Radio oder TV, damit ich nicht mit mir selbst allein sein musste. Ich habe das ganz selbstverständlich getan, ohne je darüber nachzudenken. Das kam erst, als ich immer nervöser wurde, was für mich leider in einer Angst-Störung mündete. Während dessen konnte ich gar nicht mehr alleine sein. Ich schlief sogar wechselnd bei Freund*innen und Familienmitgliedern auf der Couch.
Doch all die Ängste haben rückblickend betrachtet einen Prozess in Gang gesetzt. Heute würde ich sagen: back to the roots. Denn schon als ich klein war, habe ich mir ganz selbstverständlich immer Zeiten und Räume für mich geschaffen. Ich habe immer nach Möglichkeiten gesucht, ganz für mich sein zu können. Möglichst unbeobachtet. Ich habe mir gern versteckte Pfade in der Natur gesucht, wo mich keiner findet. Oder einen Schreibtisch in einem Baum eingerichtet, damit man mich dort oben nicht erreichen konnte, wenn ich malte. Das war völlig natürlich für mich, aber nichts bewusstes. Als ich größer wurde, ging das mehr und mehr verloren. Ich wollte gefallen. Wollte, dass man mich gern hat. Dadurch hab ich nach und nach immer mehr das Gefühl gehabt, das nicht laut sagen zu dürfen. Nicht um Zeit für mich allein bitten zu können – schließlich wollte ich ja niemanden verletzen. Ich sollte mich schließlich um andere bemühen und kümmern. Um mich selbst? Davon war nie die Rede.
Als ich mit Yoga anfing war das etwas, was ich nur für mich alleine tat. Ich nahm niemanden mit und fand schnell heraus, dass auch die Zeit auf der Matte ganz allein mir gehört. Dass jeder nur auf sich achtet und ich alle Sinne von außen nach innen richte. Trotzdem war ich in einem Studio nicht allein, was für mich zuerst unglaublich beruhigend war. So nutzte ich dies als Zeit für mich allein, wann immer ich es brauchte – und trotzdem in mitten von anderen. Ganz langsam wurde es für mich wieder leichter, Zeit allein zu verbringen. Zeit in Stille. Und das sogar sehr heilsam zu finden. Ich habe das glaube ich so gebraucht, aber völlig in mir vergraben. Nach und nach wurde es auch leichter, um Zeit für mich zu bitten. Um Raum zu schaffen – ganz für mich allein. Wo ich in Ruhe nur mit mir selber sein kann. Einen Rückzugsort, wo ich ganz ich selbst sein kann. Denn das brauche ich, es gibt mir Frieden und Kraft.
Heute weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, wie ich immer auf Sendung sein konnte. Das Gegenteil ist mir heilig: Ich liebe Ruhe und Rückzug. Gerne bin ich ganz alleine zu Hause oder ganz ungestört in der Natur. Ich brauche keine Ablenkung mehr. Im Gegenteil, die Stille beruhigt mich total. Bei mir war es eine Fügung, dass es so gekommen ist und ich Stück für Stück die Ruhe wieder genießen konnte. Ich glaube, dass dies etwas ganz individuelles ist, worin jeder unterschiedlich ist. Nicht nur das: Sicherlich gibt es für alles eine Zeit.
Wärst Du aber eigentlich gerne mal ganz für Dich allein, traust dich aber nicht, kannst du vielleicht zu aller erst allein unter anderen sein. Geh in ein Café und setze dich dort ohne Gesellschaft mit einem Buch hin. Oder geh in eine Yogaklasse, so wie ich. Du kannst es als Verabredung mit Dir selbst sehen. Hast du Skrupel, deine Liebsten darum zu bitten? Kommunikation hilft Dir – sprich ganz offen und ehrlich darüber, warum Du das machen möchtest und wann. Sie werden Dich verstehen, sich vielleicht sogar das selbe wünschen. Räume im Gegenzug also vielleicht auch das gleiche Recht für deine Lieben ein, falls das gewünscht ist.
Manche von uns möchten aber nicht mit sich allein sein, weil sie sich abzulenken versuchen. Von Ihren Themen, ihren Gedanken. Sie nutzen die Ablenkung, um zu verdrängen. Und diese Ablenkung ist heute so leicht zu bekommen. Alleine das Smartphone ist dafür wie geschaffen. Wenn das bei Dir so ist, überlege Dir ob es sich nicht lohnen könnte, einmal hin zu sehen. Wenn Du Angst vor dir selbst hast, weil du dich nicht mit dir auseinandersetzen magst, ist das völlig natürlich. Das kennen wir alle. Jeder hat seine Probleme und Päckchen. Aber vielleicht liegt dahinter genau die Freiheit, nach der Du so suchst? Oder genau der Frieden, den du so panisch versuchst, mit deinen Ablenkungen herzustellen?
Ich verspreche Dir, es lohnt sich. Denn mit sich allein sein zu können, ohne es als Einsamkeit zu empfinden und ohne Angst davor zu haben, ist wohl das Beruhigendste, was es gibt. Wenn du Dich in dir selbst sicher und geborgen fühlst. Das ist ein so leichtes und wunderschönes Gefühl, was dir niemand anderes auf der Welt schenken kann, außer Du Dir selbst.